Der Altar war ursprünglich nicht für die Gudower Kirche bestimmt und hatte ein anderes Aussehen. Er stammt aus dem ehemaligen Benediktinerinnenkloster Lüne bei Lüneburg. Dieses war durch einen Brand zerstört und um 1400 neu aufgebaut worden. Für diese neuerbaute Kirche war der neue Flügelaltar bestimmt. Er wurde dann später durch einen anderen Altar ersetzt und kam 1655 in die Gudower Kirche. Das Kloster Lüne wurde nach der Reformation in ein adeliges Damenstift umgewandelt. Eine Tafel auf der Rückseite des Altars erinnert an die Stiftung:
"Anno 1655 hat die wohlerwürdige, hochedel geborene, andächtige, viel ehr- und tugendreiche Jungfrau Catharina Margarita von Estorff, Domina dero adelichen jungfräulichen Vorsamelung des Closters Lüne dieses Altar zur Ehre Gottes in diese Kirche vorehret."
Der Lüner Altar, der in seinem ursprünglichen Aufbau einen Flügelaltar darstellte, erfuhr mit seiner Aufstellung in Gudow eine tiefgreifende Veränderung.
Wohl bedingt durch die nicht allzu breite Apsis, nahm man die Seitenflügel ab, kürzte sie um ihr Maßwerk am unteren Rand und setzte sie auf den Mittelteil des Schreins. Außerdem kürzte man die Höhe der Predella. Unter dem heutigen Abendmahlsbild aus der Zeit um 1655 befindet sich eine erheblich ältere Darstellung mit der Abbildung des Abendmahls. Die Figuren sind leider nur noch mit angeschnittenen bzw. abgeschnittenen Köpfen zu sehen. Der Rahmen des Retabels mit den gedrehten Säulen, den seitlichen Wappen und dem Schmerzensmann in der Bekrönung stammt ebenfalls aus der Zeit um 1655. Auf welche Renovierung sich die Jahreszahl 1722 über dem Altar bezieht, ist nicht zu ermitteln. Der Schnitzaltar selbst ist eine ausgezeichnete Lüneburger Arbeit unter dem Einfluß von Meister Bertrams, des Hauptmeisters der norddeutschen Malerei der Spätgotik und dürfte um 1410 entstanden sein. Der Mittelteil des Schreins zeigt unter gotischen Baldachinen die Marienkrönung. Christus und Maria sitzen auf kostbaren Thronen. Christus ist dargestellt als Herrscher über Himmel und Erde. Er, wie auch Maria, tragen Kronen auf ihren Häuptern. Die rechte Hand ist zur Schwurgebärde bzw. zum Segensgestus erhoben. Die linke Hand ruht auf einer Kugel. Die Kugel symbolisiert den Weltkreis im weitesten Sinne, der vom Himmel und von der Erde umschlossen wird. Die ruhende Hand Christi auf der Kugel erinnert an die Worte aus der Weisheit Salomos 1,7: "Der Geist des Herrn erfüllt den Erdkreis und der das All umfaßt kennt jede Sprache." Das herrschaftliche Gewand Christi wird auf der Brust durch eine Schließe gehalten. Der Blick geht ins Unendliche. Maria zur Rechten ist Christus leicht zugewandt. Auch sie trägt ein weites, üppiges Gewand, das z.T. auf dem Sitz zusammengerafft ist und von dort auf den Boden herabfällt. Die Hände Mariens sind verloren. Es ist jedoch noch erkennbar, daß sie einmal zum Gebet gefaltet waren. Obgleich sie auf gleicher Ebene sitzt wie Christus, spricht aus ihrer Haltung doch eine demütige Unterordnung. In den zahllosen Darstellungen der Marienkrönungen kommt das Bestreben mittelalterlicher Frömmigkeit zum Ausdruck, Maria als die Mutter Gottes recht nah an Christus heranzurücken. Wo der Sohn ist, muß auch die Mutter sein. Ein Sohn, der zu Ehren gekommen ist, läßt seine Mutter nicht in Armut.
Dieses Bestreben hat in dem Dogma von der Himmelfahrt Mariens in der katholischen Kirche seinen stärksten Ausdruck gefunden.Die Figur neben Christus mit der Mönchskappe stellt den hl. Benedikt dar und nimmt somit Bezug auf den früheren Standort im Benediktinerinnenkloster Lüne. In der Hand hält er die Ordensregel. Links neben Maria steht der Erzengel Michael als Drachentöter. Seine Lanze ist erneuert. Er trägt einen weiten, von seinem Arm herabhängenden Überwurf. Michael gilt nicht nur als Schutzpatron der Kirche und der Deutschen, sondern auch als Patron des Benediktinerordens. Die Figur links neben St. Michael dürfte Paulus sein. Die Haltung seiner Hände läßt vermuten, daß er hierin einst sein Attribut, das Schwert, trug. Die Figur links von Paulus in verkündigender Haltung wird Johannes, der Bruder des Jakobus sein. Er steht parallel zur Figur mit der Muschel auf der äußersten rechten Seite, die nach dem Attribut Jakobus d.Ä. darstellt. Jakobus ist der Schutzpatron der Pilger. Die Figur zwischen St. Benedikt und Jakobus auf der rechten Seite dürfte Petrus darstellen. In der rechten Hand könnte er einmal einen Schlüssel getragen haben. Von den übrigen Figuren in der oberen Reihe läßt sich als einzige die zweite von rechts genau als Matthäus identifizieren. Er trägt ein aufgeschlagenes Buch, in dem in lateinischer Sprache der Stammbaum Jesu, der Anfang des Matthäusevangeliums, zu lesen ist. Die übrigen Apostel lassen sich nicht mehr deuten, da sie keine Attribute mehr besitzen.
Die farbliche Fassung der Figuren ist im Originalzustand erhalten. Es dominieren hier die drei Symbolfarben des Mittelalters, Gold, Rot und Blau. Gold ist die Farbe der Seligkeit und des Himmels. Bei der Verklärung Christi heißt es: „Christi Antlitz leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden weiß, wie das Licht." Eben dieses wird durch die Farbe Gold ausgedrückt. Blau ist die Farbe des Geistes und der Seele, alles dessen, was den Menschen zu Gott erhebt, und Rot die Farbe des Blutes, des Fleisches und der Weltverhaftetheit. Christus und Maria inmitten der zwölf Apostel repräsentieren die Kirche im Himmel. Die zwölf Apostel entsprechen den zwölf Stämmen Israels und drücken die Vollkommenheit des Volkes Gottes aus. Die beiden Schutzpatrone Benedikt und Michael stehen nach mittelalterlichem Glauben fürbittend für die Kirche auf Erden vor Gottes Thron.
Auf der Außenseite der ehemaligen Altarflügel, hinter dem Altar zu sehen, befinden sich Fragmente mittelalterlicher Tafelmalereien. Sie stammen aus der gleichen Zeit wie das Retabel. In den Fastenzeiten wurden die Flügel zugeklappt, so daß keine Figuren, sondern nur die gemalten Bilder zu sehen waren. So ist es verständlich, daß auf den Flügeln nur gemalte Szenen, beginnend mit der Leidensgeschichte bis zur Auferstehung, zu sehen sind. Der Zyklus beginnt auf dem rechten Flügel im linken oberen Feld mit der Fußwaschung. Zu erkennen ist der Fuß des Petrus, gehalten von der Hand Jesu. Das Bild darunter zeigt das Verhör Jesu vor dem Hohenpriester Kaiphas. Dieser ist in seinem prächtigen, hochprie-sterlichen Ornat dargestellt. Das Bild Jesu ist auf diesen Tafeln leider zerstört. Man erkennt nur Reste seines dunkelgrauen Gewandes. Rechts oben ist Pilatus und rechts unten die Geißelung Jesu zu erkennen. Wesentlich besser erhalten sind die Bilder auf dem linken Flügel. Sehr schön erscheint links oben der Kreuzweg mit der Reichung des Schweißtuches durch Veronika. Das Bild links unten zeigt die Kreuzigung, das Bild rechts oben die Kreuzabnahme sowie unten rechts die Auferstehung. Christus verläßt als Sieger das Grab. Trotz des unsachgerechten Umganges mit dieser wertvollen Tafelmalerei dürfen wir dankbar sein, daß noch soviel auf unsere Zeit überkommen ist.
Zu den besonders kostbaren Ausstattungsstücken der Kirche gehört das Altarkreuz (9). Es wird ins 15. Jh. datiert. Die das Kreuzesholz umgebenden Krabben können auch als Äste gedeutet werden. Im 14. und zu Anfang des 15. Jh. wurde das Kreuz oft als Baum mit Ästen, als Lebensbaum, dargestellt. Bereits im Alten Testament wird der kommende Messias mit einem Baum verglichen. In die vergrößerten, rechteckigen Kreuzenden sind die vier Evangelistensymbole hineingeschnitzt, oben der Adler (Johannes), auf dem rechten Balken ein Mensch (Matthäus), unten ein Stier (Lukas) und auf dem linken Balken ein Löwe (Markus). Alle vier Darstellungen haben Flügel. Sie tauchen im Alten Testament zuerst bei Hesekiel und dann im Neuen Testament in der Offenbarung des Johannes als Thronwächter Gottes auf. Daß ihre Zeichen sich oft an den Kreuzenden befinden, mag andeuten, daß das Zentrum der Verkündigung durch die Evangelisten das Geheimnis der Menschwerdung Gottes in Christus bis zum Tode am Kreuze ist. Die Reste der farbigen Fassung des Kreuzes sind ursprünglich.
Das Bild der Predella ist frühbarock. Es stellt vor einem geöffneten Vorhang eine bewegte Abendmahlsszene dar. Keiner der Jünger sitzt unbeteiligt da. Judas ist im roten Gewand, die Hände über der Brust verschränkt, dargestellt. Ein Knabe, dessen Gesicht Jesus zugewandt ist, bringt ihm eine Schüssel Wasser, entsprechend dem Wort Jesu: „Der mit mir die Hand in die Schüssel taucht, der wird mich verraten." Jesus lenkt seinen Blick auf Judas.